Vom Gast zum Koch

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Was tut man, wenn man seit einiger Zeit keinen Job findet, ein Bewerbungsgespräch abgebrochen hat und so langsam genervt von dem Gefühl ist, am Ende des Tages nichts erreicht zu haben? Man macht einen Job für den man nicht bezahlt wird, dennoch Erfahrungen sammelt und so seinen Lebenslauf aufhübscht. Nützlichster Nebeneffekt: man braucht fürs Abendessen nicht bezahlen.

Am späten Samstag Nachmittag rannten Til und ich von der Schwimmhalle nach Hause. Wir zogen zuvor ein paar Bahnen gegen die allgemeine Verfettung und wollten uns nun nützlich machen. Unser Ziel war ein indisches Restaurant am Hafen der Innenstadt. Die Besonderheit des Lokals war der Preis den man Ende des Aufenthalts zahlte. Man konnte ihn selbst bestimmen, je nachdem wie viel es einem wert war.
Bei unserem ersten Besuch eine Woche zuvor erkundigten wir uns bei dem Manager des Restaurants, ob die Möglichkeit bestehe für ihn zuarbeiten. Er sprach es nicht direkt aus, aber wir verstanden recht schnell, dass es sich um Freiwilligenarbeit handeln würde.

Eine Woche darauf klopften wir an die Türen seiner Küche und wurden vertröstet. Wir waren zu früh. Es war Dreiviertel sechs, um sechs sollte es losgehen. Typisch Deutsch dachten wir, frühes Erscheinen würde nicht nur zeigen, dass wir das ganze ernst nehmen, sondern auch vonnöten sein, um ein paar Vorbereitungen zutreffen. Nach dem wir brav eine halbe Stunde draußen warteten und in der Küche der Betrieb aufgenommen wurde, kam dann auch der Manager in seinem Van angerollt. Wir sprangen auf, rannten zu ihm und fragten, ob er denn der Mann mit dem unaussprechlichen indischen Vornamen sei. Er sagte ja und freute wahnsinnig, dass wir gekommen sind. Nachdem er uns die Tür zu seiner Küche öffnete, präsentierte er uns der Küchenmannschaft, mein Name ging ihm leicht von der Zunge, Til musste seinen nach Fingerzeig selbst aussprechen.

Für alle Australier ist sein Name ein Rätsel, wie kann man nur einen offensichtlichen Nachnamen als Vornamen haben? Die Frau an der Rezeption unseres Hostel sprach ihn einen ganzen Monat mit Kolbe/Colbé an, bis sie bemerkte, warum Til stets an ihr vorbei lief ohne zu reagieren.

Nachdem die Crew mit uns vertraut war und wir uns unsere Hände mit Wasser des rechten Hahnes wuschen, ging es auch schon los. Til bekam einen Job als Liftboy und Abwaschkraft, ich hatte das Glück von einem Mann, dessen Namen dem der größten Stadt der Schweiz glich, unterrichtet worden zu sein.

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Meine Aufgabe war die „Hauptspeise“. Diese war ein tellergroßer Fladen, der aus mehreren Schichten bestand und leicht …puffig (?) wurde, vermutlich der Grund, warum mir jemand in Deutschland davon unter dem Namen Puffpuff-Brot berichtete. Ich hatte eine große Platte vor mir, die unterschiedlich heiß war und eben die Aufgabe dieses Puffpuff-Brot zu machen. Timing war das wichtigste. Nach dem die Fladen ihren optimalen Bräunungsgrad erreichten und von mir liebevoll, aber dennoch zügig drei mal gewendet wurden, stapelte ich sie übereinander und zerdrückte sie mit zwei Klatschbewegungen. Mein Meister sagte mir, dass mache sie smoother. Im Anschluss wurde der Stapel in zwei Hälften geteilt und dekorativ in 2-3 Lagen auf einem Silbertablett angerichtet.

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Zwischendurch wurden wir von einer älteren Dame, die die ganze Zeit in der Ecke saß und das Kompott & die Saucen zubereitete, unterbrochen. Sie gab uns zwei Metallteller mit der Aufforderung eine Pause einzulegen und zu essen.
Die Herausforderung bestand in der Dosierung der Portionen. Vor uns standen riesige Schüsseln Tröge mit unglaublich langen Kellen Schaufeln. Wenn man eine der Schaufeln am Ende ihres Schaftes umfasste, stand man ca. anderthalb Meter vom Trog entfernt und verschätzte sich mit der Menge. Schnell hatte man fünf anstelle einer Portion auf der Schaufel.
Nach dem unsere Pause beendet war, ging es für mich wieder ans Fladenmachen und für Til an eine neue Aufgabe. Er durfte den Rest der Zeit das Gemüse für den nächsten Tag schneiden und so verarbeitete Til nach eigenen Schätzungen 15 Kilogramm Rosenkohl.

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Meine Arbeit am Herd endete mit dem Anbruch der letzen halben Stunde der Öffnungszeiten des Restaurants. Nach einwenig ziellosem Herumstreunern in der Küche brach die Abwaschzeit an. Der Lift wurde zum Herunterschicken des benutzen Geschirrs genutzt. Nach mehreren Fuhren übernahm ich eine Position des Abwasches. Ich fühlte mich bei der Benutzung des Tellerwaschrobotters an meine Schulkantinenzeit zurück erinnert und musste an Frau Ulka denken, die diesen bei uns in der Schule immer bediente. Mit Frau Ulka kamen dann auch die Gedanken an die Essenspausen des letzten Jahres und die Freunde, mit denen man sich nach der vierten und sechsten Stunde zum Essen verabredete (Liebe Grüße an euch fünf). Die Erinnerungsstunde wurde sehr bald mit dem Wechsel zur Waschrinne unterbrochen.
Es war unglaublich, wie gelb das Wasser nach dem Spülen der Schalen und Platten beim Inder wurde. Der Washingmaster reichte mir unaufhörlich neues Geschirr zum Abwaschen und gab mir eine Profiunterweisung zur Nutzung der Reinigungsutensilien. Einer der anderen Inder spielte zum Feierabend Bollywood-Musik mit seinem Handy ab und summte sogar mit. Sehr witzig. Sogar witziger, als der Manager uns von seiner alten Aushilfe berichtete. Der junge Mann arbeitete ganze 6 Monate unentgeltlich für sein Restaurant. Irgendwann im Gespräch zog er sein Smartphone aus der Tasche (ich glaube, er hatte das gleiche wie Markus, zumindest war es größer als sein Gesicht) und durchsuchte alle seine Facebookkontakte, um uns am Ende seiner Recherche mitteilen zu können, dass seine Aushilfe Sebastian Fettel/Vettel hieß. Wir gratulierten ihm, dass ein Weltmeister für ihn arbeitete, aber er verstand den Witz irgendwie nicht so ganz. Naja ist auch nicht so schlimm, dafür verstanden wir sehr oft die Inder nicht, wenn sie mit uns sprachen. Sie haben einfach einen zu starken Akzent, aber ich möchte ja nicht mit Steinen werfen.
Zum Abschied gab es ein gesprochenes „Dankeschön“ und drei feuchte Handdrücke der noch übrig gebliebenen Mitarbeiter.

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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es ein interessantes Erlebnis war, da ich bisher noch keine gastronomischen Erfahrungen sammeln konnte. Ich hoffe, sie werden mir nutzen, wenn ich damit mein CV aufhübsche. Darüberhinaus kann ich nur schreiben, was mir bei meinen Tätigkeiten in Deutschland auch gefallen hat: Es ist spannend zu sehen, wie es hinter den Kulissen abläuft, sei es ein Onlineshop, die Post oder eben das indische Restaurant, bei dem man zuvor selbst Gast war.

Danke für euer Interesse,
Dani

Nachtrag I: Ich hatte kurz danach herausgefunden, dass das Restaurant einem hohen Tier der Hare-Krishna-Bewegung gehört, der das ganze als eine Art Wohltätigkeitsdings betreibt, um im Kastensystem besser dazustehen.

Nachtrag II: Ich habe gerade eben sämtliche Namenlisten mit indischen Vornamen durchforstet, ich habe keinen gefunden, der auch nur im Ansatz so ausgesprochen werden könnte, wie Zürich. Surisch, Tzurich, +#ÜE?“, … nichts.

Ein Gedanke zu “Vom Gast zum Koch

  1. Hey Dani,
    dein Blog ist wirklich super, genialer Schreibstil – vielleicht versuchst du es mal bei einer Zeitung ? 🙂
    Ansonsten wünsche ich dir viel Erfolg bei deiner weiteren Jobsuche, keep your Head up!

    Best Wishes to Down Under

    PS: Hör dir mal Lupe Fiasco an wenn du kannst…

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