Fast zwei Wochen wuselten wir durch die australische Metropole mit dem markanten weißen Opernhaus. Heute Morgen war es soweit, es hieß Abschied nehmen, Reiseluft schnuppern und auf nach Norden brechen. Dieses Mal gibt es nicht ganz so viele Kilometer auf einen Schlag zu überwinden, wie bei den vorhergegangenen Stadtsprüngen. Es sind für heute nur 160 km geplant, das Tagesziel heißt Newcastle. Den Rest der Strecke treten wir übermorgen in kleinen Etappen an. Ebenfalls neu ist unser gewähltes Reisemittel: Wir reisen mit der Bahn.
Während ich so in der Bahn sitze, ab und an aus dem Fenster schaue, Maras schlummerndes Köpfchen auf meinem Knie balanciere und auf einer Stange getrocknetem Rindfleisch kaue, möchte ich die Zeit nutzen und die in Sydney verbrachte Zeit ein bisschen resümieren …
Nachdem wir am Montagnachmittag nach einem sehr sehr kurzem Aufenthalt über den Wolken in Sydney landeten, kämpften wir uns mit Zug und Tram durch die Stadt zu unser Unterkunft. Wobei Unterkunft wie in Melbourne ein eigenes Häuschen bedeutet. Mara hatte uns da mal was klar gemacht! Wir hatten die Ehre in einem gemütlichen schmalen Häuschen wohnen zu dürfen. Es gab ein Schlafzimmer, eine Art Büro, eine geräumige Wohnzimmer-/Küchenkombination und ein Bad mit Dusche plus Badewanne. Zusätzlich stand uns ein kleiner Garten zur Verfügung, den wir aber bis aufs Ostereiersuchen und Schaben-vor-die-Tür-setzen kaum nutzten. All das gehörte uns, wir mussten es nur mit einer Mitbewohnerin teilen. Mrs Molly hieß die Dame und war die Katze des Hauses, sie zu füttern war unsere einzige Aufgabe.
Glücklicherweise wohnten wir relativ nah am Standzentrum, sodass wir nur fünf Minuten zur nächsten Light Railway Station (eine Art Straßenbahn) laufen brauchten und eine Viertelstunde später schon im CBD waren. Am ersten richtigen Tag in Sydney machten wir uns auf zur Light Railway und kauften beim Fahrkartenkontrolleur jeweils eine Wochenkarte. Sehr gute Entscheidung, wir brauchten sie fast jeden Tag, da der Teil von Sydney den wir sehen wollten und in dem wir uns eigentlich immer aufhielten am bequemsten mit der Straßenbahn zu erreichen war. Ein paar Fahrten genügte und einige Kontrolleure wollten unsere Tickets gar nicht mehr sehen, da sie uns bereits von den Tagen zuvor kannten, bzw. uns die Karte selbst verkauften.
Die ersten zwei Tage widmeten wir Maras Füßen. Sie benötigten dringend neue Schuhe. Auf der Suche nach einem passenden Paar Timberlands wurden wir immer wieder durch lückenhafte Lager oder inkompetente Verkäufer ausgebremst. Kurz bevor der Schuhrausch zu kippen drohte, wurde sich neuorientiert und siehe da, am Ende gab es sogar zwei neue Paar Schuhe für Mara. Mit den Einkaufsbeuteln stolperten wir zielstrebig zum Hafen und beobachteten wie das von der untergehenden Sonne rosa getaufte Opern Haus seinen Glanz verlor und für einen kurzen Moment durch ein dämmriges Grau in den Hintergrund rückte und dem leuchtenden Großstadtpanorama mit seinen Lichterfassaden die Aufmerksamkeit der Menschen schenkte. Einen Augenblick später erkämpften sich die „Segel“ ihren Platz in den Suchern der Kameras wieder zurück – die Beleuchtung wurde eingeschaltet. Hecktisch wurde in den Panoramamodus der Handys und Kameras gewechselt um keinen Moment des Lichterkampfes zu verpassen.
Wir zwei saßen einfach nur auf einer Bank, ließen unsere Blicke vom Opera House zur Stadt und wieder zurück streifen und genossen einfach unseren Sydneymoment. Endlich sind wir da. Kurz bevor wir uns auf zu Mrs Molly machten, wechselte auch ich in die Panoramaaufnahme und knippste bis mir mein Telefon mit „Keine Fotoaufnahme möglich, Speicherplatz voll“ den Dienst verwehrte.
Wenige Tage später wurde dann endlich auch das Opera House besichtigt und angefasst. Wenn man das Gebäude mit den vielen Konzert- und Vorführräumen betritt geht ein bisschen der pompöse Eindruck von außen wieder verloren. Alles ist unverputzter Beton, eine bescheidene Theaterkasse und ein Souvenirgeschäft für Fingerhüte, Porzellan und Kuscheltiere vom Gebäude selbst. Jep, es gibt das Opernhaus als Kuscheltier, umgenau zu sein, sogar zweimal – männlich und weiblich. Eines hört auf dem Namen Syd und das andere auf Ney. Kreativ, muss man ihnen lassen. Um den Rest der Oper sehen zu dürfen hätten wir eine Führung machen müssen, aber das wäre dann schon wieder zu touristisch gewesen. Dafür wissen die Waschbecken auf den Klos zu beeindrucken! Wie eine Welle schwingen sich die Waschbecken durch den Raum und erwecken den Eindruck, als würde das Wasser nicht ablaufen, sondern einfach verschwinden. Wahnsinn!
Die darauf folgenden Tage bis Ostern verbrachten wir mit Stadtspaziergängen, Galeriebesuchen und Passionsfrüchte ernten bei einer Bekannten. Letzteres war ziemlich cool, da ich diese Zuhause und auf der bisherigen Reise noch nicht an Bäumen sah. Passionsfrüchte essen half ziemlich gut unsere Wartezeit auf einen Anruf zu überbrücken. Am Mittwochmorgen der ersten Woche in Sydney rief ich bei einer Werbeagentur an und organisierte ein Bewerbungsgespräch für mich und Mara, damit wir ein bisschen Geld durch Flyerverteilen verdienen konnten. Warum die dafür extra ein Bewerbungsgespräch wollten war uns auch schleierhaft. Wir schlugen uns hervorragend durch das Gruppeninterview und konnten auch bei dem langen Planspiel der Chefin überzeugen. Sie versprach uns zeitig zurück zurufen und uns schnellst möglich einen Job zu verschaffen – Fehlanzeige. Die Frau hatte sich leider nicht mehr gemeldet, könnte vermutlich auch an unserem kurzen Aufenthalt in Sydney und den Ostertagen gelegen haben, die wir in unserem kleinen Garten und in der Wohnung mit Osterkörpchensuchen verbrachten.
Leider waren die Tage der zweiten Woche relativ kurz. Wir schliefen immer länger und fühlten uns schnell müde und träge. Zu erst kränkelte ich und musste von Mara gesund gekocht und gepflegt werden, dann gab es am letzten Tag auf dem Rückweg von Bondi Beach einen Schlagabtausch. Die Zeit am Strand und in der Stadt auf der Suche nach dem OnePiece Store der letztendlich ziemlich enttäuschend war und meinen geliebten Onezipper nicht reparieren konnte, wurde mit angeschwollen Lymphknoten ziemlich unangenehm. Dennoch gab es zwei positive Entdeckungen: Die südafrikanische Variante von Beef Jerky, die ich bis dahin nie probieren wollte, schmeckt mir äußerst gut. Ich kaufte eine Tüte Beef Biltong, so nannte sich das ganze und konnte erstaunt feststellen, dass es einfach nach einer feinen luftgetrockneten Wurst schmeckt! Phantastisch, das war die bisher beste „Wurst“, die ich hier gegessen habe, alles andere war den Namen Wurst nicht würdig. Nicht einmal die „smoked Vienna Sausage“ aus dem deutschbenannten WURSTHAUS auf Tasmanien oder die „Frankfurter“ der australischen Fleischtheken verdienten die Wurstbezeichnung, aber das nur am Rande. Als zweite Entdeckung fand ich eine sowjetische ЛОМО TLR in einem Antikladen. Yeah endlich ein günstiges Zweiauge mit Mittelformat Film. Zugegeben nicht die Beste, aber Hasselblad und Rolleifex kann man sich ja auch etwas später in seinem Leben gönnen.
Am Abend wurde alles im Haus weitestgehend wieder so hergerichtet, wie wir es vorfanden und das neue Schmuckstück geputzt. Nach dem endlich wieder früheren Aufstehen wurden die letzten Schilffe getätigt, die letzten Dinge in den Rucksack gesteckt und wie gefordert Punkt 11 Uhr das Haus verlassen. Kurz bevor wir noch einen Abstecher zu der Dame machten, die uns das Haus vermittelte, um den Schlüssel abzugeben und ein kleines Dankeschön zu übergeben, hatten wir eine Premiere: das erste Mal konnten wir unsere Regencapes der Rucksäcke benutzen! Und sie hatten sogar die gleiche Farbe, ist das nicht aufregend??
Am Bahnhof wurde Mara auf eine Bank gesetzt und mit einem heißen Getränk versorgt, sie hatte die Aufgabe auf unser Hab und Gut zu achten, während ich durchs verregnete Sydney stapfe, um irgendwo in dieser durchdigitalisierten Welt einen 35mm oder einen 120mm Film für die gestern erstandene ЛОМО Kamera zu finden. Und tatsächlich ein Paar durchsiffte Schuhe später hatte ich tatsächlich beides in meiner Hand und konnte wieder zurück zur Central Station, wo mein kleiner Wachhund schon einen früheren Zug herausfinden konnte.
tagesaktuell, dickes lob dafür!! wie immer sehr schön geschrieben, besonders beim sydneymoment hab ich direkt neben euch gesessen. viel glück mit der neuen kamera!
@me pe Danke schön 🙂 Die Kamera hat sich gestern leider verabschiedet, das Objektiv ist abgefallen.